98. Auktion

10.11.2018

Lot 207

Ferdinand Berthoud à Paris, Höhe 1200 mm, circa 1770
Seltener Präzisionsregulator mit 9-Stab-Messing/Stahl-Rostpendel
Ziffbl.: Email. Werk: rundes Messing-Platinenwerk, Grahamhemmung, Messingpendellinse, schwere, kardanische Messingaufhängung für zwei Pendelfedern.
Über die "französischen Observatoriums-PPU" schreibt Jürgen Ermert in Band 2 seiner Präzisionspendeluhren-Reihe:
"Diese Normalzeituhren wurden nach besonderen Kriterien für Observatorien über einen langen Zeitraum nahezu gleichartig gefertigt. In der Fachliteratur findet man bei Erbrich und Roberts derartige Typen von Ferdinand Berthoud, Paris (von 1762), Louis Berthoud, Breguet, Jean Francois Henry Motel und Simon Vissiere (etwa 1870).
Zu diesem Uhrentyp gehörte ein bestimmter, relativ kleiner Zifferblattdurchmesser (etwa 160 bis 210 mm) mit dem von der Akademie der Wissenschaften vorgesehenen Aufbau des Emailzifferblatts, ein staubdichtes Gefäß in Form eines Messingzylinders, die massive Werkgestellplatte und alle sonstigen Merkmale einer hochpräzisen, auf Zeitmesszwecke hin orientierten Uhr. Das ganze System wurde üblicherweise ohne Kasten an den Kunden geliefert. Die Sekunden-, Minuten- und Stundenanzeige sind aus der Mitte heraus angeordnet. Der Werkzylinder wird als Gesamtheit mit dem Werk auf die Gestellplatte aufgesetzt, in der dann schon das Pendel eingehängt ist. Am unteren Teil des Werkzylinders erkennt man den Durchgang für Ankergabel und Pendel. Von wenigen Ausnahmen abgesehen findet man eine Graham-Hemmung, Monatsgang und Rostkompensationspendel. Teilweise wurde der Anker außerhalb auf der rückseitigen Werkplatine angebracht. Auch wenn um 1800 bei hochwertigen Uhren schon Steinlager üblich waren, wurden überwiegend noch normale Messinglager genutzt. Und auch Steinpaletten am Anker kamen erst später."
Eine treffende Beschreibung auch der vorliegenden Uhr, die allerdings ein größeres Zifferblatt von etwa 25 cm Durchmesser hat, das von Dubuisson gefertigt wurde, einem der bedeutendsten Emailleure seiner Zeit.
Ferdinand Berthoud zog schon in jungen Jahren die Aufmerksamkeit von Julien Le Roy auf sich, mit dem er dann lange zusammenarbeitete. Um 1745 eröffnete Berthoud ein Atelier in der Rue Harlay. Ab 1756 spezialisierte er sich auf den Bau von Präzisionsuhren und entwickelte um 1771 eigenständig die Chronometerhemmung mit Wippe und Federaufzug. Wahrscheinlich arbeitete auch Abraham Louis Breguet bei ihm. Ferdinand Berthoud war Hoflieferant König Ludwig XV. und dessen Enkel und Nachfolger Ludwig XVI.
1763 und 1766 wurde er nach London gesandt, um die Geheimnisse von Harrisons H4 herauszufinden. Sein Hauptverdienst besteht im Bau des französischen Marinechronometers. 1770 wurde er zum "Horloger mécanicien du Roi et de la Marine" (Uhrmacher des Königs und der Marine) ernannt. Später wurde er Mitglied des "Institut de France" und der "Royal Society". Am 17. Juli 1804 folgte seine Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Ferdinand stirbt kinderlos nach kurzer Krankheit am 20. Juni 1807 in Groslay bei Paris. In Paris ist eine Grundschule nach Ferdinand Berthoud benannt, sowie Straßen in Couvet, Argenteuil, Groslay und Besançon.

schätzpreis
30.00040.000 €
Realisierter Preis
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