93. Auktion

14.5.2016

Lot 89

Frankreich oder Deutschland, 46 x 26 mm, 35 g, circa 1620
Bedeutende und außergewöhnlich seltene Goldemail-Uhr im gewellten Bergkristallgehäuse, mit Cosse-de-Pois-Emaildekor auf der Rückplatte des Werks
Geh.: Gold und Emailrahmen mit transluzidem scharlachrotem en-plein Emaildekor auf Flinqué-Grund; das Innere des Werksrahmens mit ähnlicher blauer Champlevé-Ornamentierung. Pendant und Drückerknopf blau und opak weiß emailliert und mit dem sechseckigen, gewellten und mit Punkten gravierten Bergkristall-Rückdeckel verschraubt. Der vordere Deckel ist entsprechend verziert. Ziffbl.: ovale Goldplatte auf der Frontplatte des Werks aufgebracht, mit transluzidem scharlachroten, blauen und grünen Champlevé-Dekor mit Cosse-de-Pois-Ranken und einem gelbroten Schmetterling. Aufgelegter goldener Ziffernring mit schwarzen römischen Emailziffern und Halbstundenmarkierungen. Einzelner Goldzeiger. Werk: ovale vergoldete Platine mit Baluster-Pfeilern, schmale Schnecke mit Darmsaite, Räderwerk mit drei Rädern und Spindelhemmung, einfache Stahlunruh ohne Spirale. Durchbrochen gearbeiteter und gravierter Unruhkloben mit verschraubtem konisch zulaufendem Fuß. Rückplatte mit Goldbelag, ähnlich dem Zifferblatt ornamentiert mit transluzidem roten, blauen, grünen und gelben sowie opak weissen Emaildekor mit Cosse-de-Pois-Verzierung.
Uhren mit einer emaillierten Goldauflage auf dem Werk sind ungemein selten, wenn auch nicht völlig unbekannt. Eine Uhr mit einer solchen Platine, gleichfalls mit Gold- und Emailrahmen und Bergkristall-Deckeln wurde im Jahr 1989 bei Christie’s in Genf verkauft [1]. Das Werk war mit den Initialen MB versehen und zweifellos weisen die transluziden Emailfarben auf einen französischen Ursprung hin. Tatsächlich ist es ohne eine Signatur sehr schwierig, das Herkunftsland dieses Stückes zweifelsfrei zu bestimmen. Die Emailliertechnik wurde in der entsprechenden Periode sowohl in Frankreich als auch in Deutschland für Uhren und Schmuckstücke verwendet; das Gleiche gilt für die Werkskonstruktion.
Der Ornamentstil, der als Cosse-de-Pois (Schotenwerk) bekannt ist, spielte nur für eine kurze Zeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hauptsächlich in Frankreich eine Rolle. Obwohl eine Reihe von Künstlern Entwürfe in diesem Stil schufen und veröffentlichten gibt es nur sehr wenige Schmuckstücke und fast keine Uhren, die so verziert wurden. Peter Fuhring und Michele Bimbenet erforschten das Thema in großem Umfang und veröffentlichten ihre Erkenntnisse im Jahr 2002[2]; sie verzeichneten etwas mehr als 40 Stiche aus der Zeit von 1612 bis circa 1640. Unter diesen Künstlern sind besonders Jacques Briot in Paris 1629 und Pierre DeLaBarre in Paris um 1640 bekannt. Hinzu kommt eine Reihe von monogrammierten Drucken die mit den Buchstaben AD geprägt und auf das Jahr 1608 [3] datiert sind sowie eine Serie des berühmten Zeichners, Graveurs und Emaileurs Jean Toutin, die er 1619 in Chateaudun herausgab.
Ein weiterer Satz von Entwürfen nach Peter Symony wurde vom Strassburger Künstler Isaac Brun graviert und 1621 veröffentlicht [4]. Strassburg war zu dieser Zeit freie Reichsstadt und lag im Südwesten des Heiligen Römischen Reichs; dort ansässig war eine Zunft von überragenden Gold- und Silberschmieden.
1. Christie's, Genf, Fine Wrist and Pocket Watches, 10. Mai 1989, Los-Nr. 337
2. Peter Fuhring und Michèle Bimbenet-Privat, « Le style « cosses de pois ». L’orfévrerie et la gravure à Paris sous Louis XIII », Gazette des beaux-arts, Januar 2002, S. 1-224
3. Si quid melius videris J. Toutin A Chasteaudun 1619
4. Tabulae Gemmiferae / XXIV. / Ad vsum aurifabrorum / accommodatae et / Per / P. Symony w, / Ifaac brun Argentinae / fculpsit, / 1621.'
Mittige Inschrift in der unteren Hälfte der Platine:'I / Zü Strasbürg beij Zacob von der Heijden kupferstecher'
Provenienz: Sammlung Rothschild

schätzpreis
80.000120.000 €
Realisierter Preis
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