107. Auktion

19.11.2022

Lot 9

Urban Jürgensen

Außergewöhnlich feines und seltenes, großes, silbernes Beobachtungs-Chronometer mit freischwingender, goldener Unruhspirale und Regulator-Zifferblatt - das 24. Chronometer von insgesamt 58 produzierten Werken. Ein identisches Beobachtungs-Chronometer ist als so genanntes "Moltke Chronometer" bekannt, benannt nach dem dänischen Politiker und ersten demokratisch gewählten Premierminister Dänemarks Graf Adam Wilhelm Moltke (1785-1864), der diese Chronometer für wissenschaftliche Expeditionen auslieh

Verkauft

schätzpreis
10.00040.000 €
Realisierter Preis
37.500 €
Merkmale
Gehäuse
Silber, glatt, Gehäusemacher-Punzzeichen "IFH" im Herz-Wappen (Johan Fridrich Hansemann), Boden mit Aufzugsöffnung.
Zifferblatt
Email, Ziffernring für Stunden bei 10 Uhr, Ziffernring für Minuten bei 2 Uhr, Sekundenanzeige bei 6 Uhr.
Werk
1/2-Platinenwerk, Kette/Schnecke mit "Harrisons" konstanter Kraft, Arnold's Federchronometerhemmung, bimetallische Chronometerunruh mit 3 Schrauben und 3 runden Gewichten, freischwingende Unruhspirale aus Gold mit Endkurven.
Geh.-Nr.415
Maße69 mm
Circa1810/1811
LandDänemark
Gewicht212 g


John Arnold war der erste, der für seine Zeitmesser Unruhspiralen aus Gold verwendete, wahrscheinlich schon 1779. Sowohl Jürgensens Lehrer und späterer Schwiegervater Jacques Frederic Houriet, als auch Abraham-Louis Breguet experimentierten mit Unruhspiralen aus Gold, doch erst Urban Jürgensen wusste sie zu perfektionieren und effektiv einzusetzen. Er verwendete die goldene Unruhspirale in seinen besten Chronometern, die für die Seefahrt bestimmt waren, denn er wusste, dass ihnen weder Rost noch Magnetismus Schaden zufügen konnte. Dies führte dazu, dass seine Chronometer auf verschiedene wissenschaftliche Expeditionen mitgenommen wurden, initiiert vom dänischen Politiker Graf Adam Wilhelm Moltke. Auch Heinrich Christian Schumacher (1780-1850), deutscher Astronom und Mathematiker, Professor für Astronomie in Kopenhagen und Direktor der Sternwarte begeisterte sich und bemerkte: "In Herrn Jürgensens Etablissement ist eine beträchtliche Anzahl von Chronometern ausgeführt worden, die sich alle in ihrer Konstruktion als vorzüglich erwiesen haben. Besonders hervorzuheben sind die zylindrischen Unruhspiralen, die aus Gold gefertigt sind und in Bezug auf Legierungen, Elastizität und Abmessungen auf langjähriger Erfahrung beruhen."
Die verwendete Federchronometerhemmung basiert auf einem Entwurf von John Arnold. Das Messing-Hemmungsrad hat zykloidale Impulsflächen. Die Arretierung ist an einem vergoldeten Messingarm angebracht, der mikrometrisch eingestellt werden kann, was eine präzise Justierung des Sperrsteins ermöglicht. Viele wurden später auf den Earnshaw-Typ umgestellt, was dieses Chronometer noch seltener macht.
In seinen Anfangsjahren verwendete Urban Jürgensen Gehäuse von Johan Friedrich Hansemann (1787-1843), einem dänischen Goldschmied deutscher Herkunft, der 1810 Meister wurde. Er fertigte die Gehäuse für einige von Jürgensens besten Chronometern.
Das nahezu identische "Moltke Chronometer" ist abgebildet und beschrieben in John M. R. Knudsen "The Jürgensen Dynasty", Kopenhagen 2013, Seite 111ff.


Urban Jürgensen (1776-1830), Sohn des Hofuhrmachers Jürgen Jürgensen, wurde am 5. August 1776 in Kopenhagen (Dänemark) geboren. Dort besuchte er die Handelsschule. Mit 15 Jahren verließ er die Schule, um den weiteren Unterricht bei seinem Vater fortzusetzen. Gleichzeitig nahm er bei Professor Woolf, dem späteren Staatsminister, Privatunterricht in Mathematik und lernte Fremdsprachen. Mit 20 Jahren schickte ihn sein Vater zur Weiterbildung in die Schweiz, und zwar für 18 Monate nach Neuchâtel und für 6 Monate nach Genf. Im Jahr 1797 ging Urban Jürgensen nach Le Locle, wo er bei Jacques-Frédéric Houriet arbeitete. Von Le Locle reiste er nach Paris. In Paris standen ihm infolge guter Empfehlungen die Häuser von Abraham Louis Breguet und Ferdinand Berthoud offen. In dieser Zeit erhielt er von der dänischen Regierung jährlich 800 Taler als Stipendium. Später ging er zu John Arnold nach London, um sein Wissen über den Bau von Marinechronometern zu vervollkommnen. Von London aus kehrte er über Paris zurück in die Schweiz, wo er eine der Töchter von Jacques-Frédéric Houriet heiratete. 1801 kam er nach Kopenhagen zurück und gründete mit Etienne Magnin eine Gesellschaft zur Herstellung von Marinechronometern. Magnin ging kurze Zeit später nach Sankt Petersburg. 1806 wurde sein ältester Sohn Louis Urban geboren und am 27. Juli 1808 sein Sohn Jules Frederik. Urban Jürgensen wurde als erster Uhrmacher Mitglied der Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften. Der dänische König Friedrich VI ernannte ihn zum königlichen Hofuhrmacher und verlieh ihm den Titel des königlichen Seeuhrmachers und das Exklusivrecht zur Belieferung der Admiralität mit Chronometern. Urban Jürgensen starb am 14. Mai 1830. Nach Urbans Tod übernahmen seine Söhne Louis Urban und Jules sein Erbe.