108. Auktion

20.5.2023

Lot 189

Piguet & Capt zugeschr./attr. to

Museale, bedeutende und einzigartige, mit Halbperlen besetzte Schweizer Goldemail Schnupftabakdose für den asiatischen Markt, mit der Darstellung einer Feuerlöschmannschaft mit 12 Automaten in Mehr-Farben-Gold und hochfeiner Miniatur-Emailmalerei wunderschöner Landschaftsszenen im Stile Jean-Louis Richters (1766-1841). Dieses Kunstwerk gehört zu den kompliziertesten Automaten, die je auf den Markt kamen und ist möglicherweise ein Einzelstück.

schätzpreis
350.000500.000 €
Realisierter Preis
-
Merkmale
Gehäuse
18 kt Gold, Pariser Garantiestempel für Gold 1798-1809, zwei spätere französische Garantiestempel für Gold nach 1838. Rechteckige Form, abgeschrägte Ecken, scharnierter, verglaster Deckel, halbperlenbesetzte Lunette, polychrome Miniaturmalerei und mehrfarbig goldene Automatenszene, Champlevé-Email auf dem Deckelrand und den Ecken. Der Boden und die Seiten mit polychromen Landschaftsszenen in der Manier Jean-Louis Richters (1766-1841) vor guillochiertem und transluzid goldfarbenem Abendhimmel.
Zifferblatt
,
Werk
Automatenwerk: Rechteckformwerk, Schlüsselaufzug, Platine mit geritzter Inschrift: "reparé par Charles Bruguier Janvier 1847", Messingräderwerk.
Maße87 x 56 x 27 mm
Circa1809
LandSchweiz


Die mehrfarbig goldene Automatenszene präsentiert 12 Bewegungen: unter den Augen eines stramm stehenden Soldaten, befindet sich links an einem Seeufer ein brennendes Haus mit züngelnden Flammen im Dachstuhl, dargestellt mithilfe eines sich schnell drehenden roten Metallrads hinter durchbrochener Wandung. Durch das offene Fenster erkennt man die rote Feuersbrunst und sechs panisch umherlaufende, abwechselnd im Fenster erscheinende Figuren, darunter eine Mutter mit Kind und andere Figuren, die versuchen ihre Habseligkeiten zu retten. Im Zentrum steht der Feuerwagen, dessen Wasserpumpe von zwei Männern durch Auf- und Abbewegen ihrer beiden Arme bedient wird. Der Wasserstrahl, in Form von spiralförmigen Glasstäben, wird von einem weiteren Mann mit einem Schlauch in den Händen auf das brennende Dach geführt. Rechts befindet sich ein klassisch anmutender Brunnen, mit fließendem Wasser, dessen Pumpe von einer Dame am rechten Rand durch Auf- und Abbewegen bedient wird. Das fließende Brunnenwasser wird ebenfalls durch spiralförmige Glasstäbe dargestellt. Im Vordergrund befindet sich ein Hund und ein umgestürzter Tisch. Der Hintergrund besteht aus polychromem Email und ist mit einer Flusslandschaft, Gehöften und Bergen aufwändig bemalt; schwarze Rauchwolken, verdunkeln den sonst strahlend blauen Himmel.
Weitere Landschaftsszenen in Email finden sich im Boden und auf den Seiten. In der Manier Jean-Louis Richters (1766-1841) zeigen sie klassische Seenlandschaften mit Hirtinnen und Hirten, Schiffen und Booten, Anglern und Bootsleuten vor einem transluzid goldfarbenem, leuchtenden Abendhimmel auf einem unruhig wirkenden, guillochierten Grund.
Bei der Reparatursignatur von Charles Bruguier auf der Werksplatine handelt es sich wahrscheinlich entweder um Charles Abraham Bruguier (1788-1862) oder um seinen gleichnamigen Sohn. Die Familie Bruguier war in Genf als Hersteller von Musikspiel- und Singvogeldosen bekannt.
Kunstwerke dieser Art lassen den Betrachter den Einfallsreichtum und die Originalität bewundern, die die meisterhaften Fähigkeiten des Uhrmachers, des Goldschmieds und des Emailleurs vereinen. Die Werke entstanden in einer Zeit, in der die Schweiz eine herausragende Stellung in der Schaffung von bedeutendem Kunsthandwerk einnahm. Mit den wachsenden Handelsbeziehungen zu den chinesischen, osmanischen und russischen Märkten entstand Ende des 18. Jahrhunderts die Genfer Handwerkstradition der kunstvollen Automatenherstellung. Diese Wunderwerke der Technik und der Handwerkskunst wurden zwischen 1780 und 1850 von den bedeutendsten Uhrmachern der damaligen Zeit in großer Vielfalt hergestellt, darunter Piguet & Capt. Heute ist eine handwerkliche Verarbeitung in dieser Qualität und Feinheit nicht mehr möglich.
Provenienz:
- Sammlung Matthew P. McCullough
- Sothebys, Important Watches, including the collection of Swiss mechanical marvels, Part II, New York, 8. Juni 2016, Los 86.
Literatur:
- Roy Mosoriak, "The Curious History of Music boxes", Chicago 1943, Seite 90f, Abb. 17
- Ausstellungskatalog "Antique Automatons A La Vieille Russie", 1950, Katalognummer 66


Isaac Daniel Piguet wurde 1775 in Le Chenit im Vallée de Joux geboren. Er arbeitete von 1802 bis 1811 mit seinem Schwager Henry Daniel Capt zusammen (Piguet & Capt), bevor er in Partnerschaft mit Philippe Samuel‎ Meylan die Manufaktur Piguet & Meylan gründete, die bis 1828 bestand. Piguet & Capt spezialisierten sich in dieser Zeit auf emaillierte Taschenuhren und Schnupftabakdosen mit Figurenautomaten, Musikspielwerken und Uhren mit Minutenrepetition. Isaac Daniel Piguet starb am 20. Januar 1841.
Jean-Louis Richter (1766-1841) war ein berühmter Emailmaler. Er war ehemaliger Schüler von David-Etienne Roux und Philippe-Samuel-Theodore Roux und spezialisiert auf Landschaftsmalerei und Seenlandschaften, aber auch Hafen- und Schlachtenszenen zählen zu seiner Schaffenskunst, wie Portraits und Jagdszenen. Richter hat seine Werke nur sehr selten signiert, doch sein charakteristischer Malstil und die hohe Qualität der Bilder verraten ihre Herkunft. Er bemalte vorallem Uhrengehäuse und Schnupftabakdosen für den chinesischen, türkischen, englischen oder italienischen Markt.