96. Auktion

18.11.2017

Lot 287

H. Lichtwarck, Hamburg / Christian Friedrich Tiede, Berlin, Werk Nr. 12, 160 x 93 x 160 mm, circa 1875
Bedeutendes, seltenes Chronometer mit 56h Gangreserve, Federchronometerhemmung und Sekundärfehler-Kompensationsunruh
Geh.: Eichenkasten. Ziffbl.: versilbert. Werk: Messingwerk, 65 mm, Kette/Schnecke, bimetallische Chronometerunruh mit 6 Schrauben und 2 Gewichten.
Es ist merkwürdig, dass über den Hamburger Uhrmacher oder Händler H. Lichtwarck nichts zu erfahren ist - in der Fachliteratur taucht der Name nur auf in Verbindung mit der Frage: Wer war das? Eigentümlich umso mehr, als das Werk dieses hier vorliegenden kleinen Chronometers ohne Zweifel von C. F. Tiede stammt, sicherlich einem der bedeutendsten deutschen Uhrmacher des 19. Jahrhunderts.
Der Werkaufbau ist identisch mit dem Chronometer Nr. 345 von Tiede, das in Berteles "Marine- und Taschenchronometer" auf Seite 251 abgebildet ist; bemerkenswert vor allem ist jedoch, dass bei beiden Chronometern die gleiche seltene Sekundärfehler-Kompensations-Unruh verwendet wurde, die in ähnlicher Form um 1850 von Frodsham entworfen wurde. Im Lichtwarck-Chronometer ist diese wohl ein wenig größer ausgelegt, weshalb eine der Werkspfeiler-Schrauben versenkt werden mußte. Mit den Nummern 79 und 88 finden wir weitere baugleiche Tiede-Chronometer, allerdings mit großer Schrauben-Chronometer-Unruh, auf Seite 171 ff des brandneuen Bands 4 der Präzisionspendeluhren-Reihe von J. Ermert.
Kleines Detail am Rande: Alle erwähnten Chronometer haben eine deutsche Beschriftung, nur das Chronometer von Lichtwarck bezeichnet die Skala der Gangreserve mit "Up" and "Down" - wo "ein Zeiger die Zeit angiebt, welche seit dem Aufziehen verflossen ist", wie es in Tiedes Preisliste von 1847 heißt: Das 56-Stunden-Chronometer übrigens für 300 Reichsthaler.
Da das Gehäuse keine Kardanik enthält, war das Chronometer vermutlich nicht für die Schiffsnavigation gedacht. Der Zustand kann nur als hervorragend bezeichnet werden.
Friedrich Tiede (1794-1877)
Er erlernte in Wismar die Uhrmacherei. Dann kam er zu Delolme nach Braunschweig und später zu Gutkaes nach Dresden. Dort schloss er mit Adolf Lange innige Freundschaft und etablierte sich, da es in seinem Vaterland die Innungsverhältnisse nicht gestatteten, in Berlin, wo er Chronometer und ausgezeichnete Sekundenregulatoren herstellte. Obgleich er Anerkennungsschreiben von Alexander von Humboldt und anderen großen Gelehrten besaß, blieb er doch bescheiden und war stets bestrebt, seine Mitmenschen zu fördern. Besonders Ferdinand Adolf Lange besuchte er mehrmals in Glashütte und unterstützte ihn mit seinem Rate. 1838 erhielt er das Patent als kgl. astronomischer und Hof-Uhrmacher.
Quelle: C. Dietschold, Der Cornelius Nepos der Uhrmacher, Dietschold's Verlag 1911.

Verkauft

schätzpreis
3.0008.000 €
Realisierter Preis
3.800 €