98. Auktion

10.11.2018

Lot 59

Strasser & Rohde, Glashütte in Sachsen, Werk Nr. 18, 1700 mm, circa 1895
Historisch interessante Glashütter Präzisions-Sekundenpendeluhr mit justierbarem seitlichen Pendelantrieb und elektromagnetischer Impulsvorrichtung der Normal-Zeit GmbH Berlin - geliefert an die Finnische Normalzeit Gesellschaft in Helsinki
Geh.: Eiche. Ziffbl.: versilbertes Regulatorzifferblatt. Werk: massives Rechteckform-Messingwerk, Graham-Hemmung mit justierbaren Stahlpaletten, Holzstabpendel mit Zinkzylinder, Aufhängung über Pendelfeder, Kontaktvorrichtungen.
Die Finnische Normalzeit Gesellschaft (Normal Tid AB) wurde am 17. Mai 1901 in Helsinki gegründet und bestand bis Mai 1946. Gründer waren Georg Dreijer vom Observatorium in Helsinki, der Ingenieur Fredrik Rolsberg und der Geschäftsmann A. E. Sundström. Im Oktober 1901 erwarb die Gesellschaft die Strasser & Rohde Uhr Nr. 243, die dann mit einer anderen Strasser & Rohde Uhr - vermutlich die vorliegende Nr. 18 - als Haupt- bzw. Nebenuhr betrieben wurde. In den zwanziger Jahren wurden Teile der Gesellschaft von L.M. Ericsson gekauft, heute noch bekannt als Unternehmen der Mobildfunktechnologie. Nach 1960 wurde die nicht mehr genutzte S & R Nr. 18 aus dem Observatorium entfernt und in einem Laden von Ericsson untergebracht; als dieser 1970 aufgegeben wurde, wurde die Uhr vom Vater des Einlieferers vor dem Schrottplatz gerettet, in dessen Besitz sie sich seitdem befand.
Die Uhr verfügt über einen Gewichtsantrieb, aber auch über einen Federkontakt nach dem Prinzip von Hipp, der bei nachlassender Pendelamplitude auslöst; eine Konstruktion, die üblicherweise für einen elektromagnetischen Antrieb genutzt wird.
Das Gehäuse in massiver Gründerzeitausführung trägt das Schild der "Normal-Zeit GmbH Berlin". Diese hatte ein System entwickelt, mit dem die Uhren einer Stadt synchron gehalten wurden und verteilte Anfang des Jahrhunderts die Zeit im Deutschen Reich. Die Konstruktion mit 2 Präzisionspendeluhren nach dem Prinzip der Normal-Zeit GmbH beschreibt Jürgen Ermert in Band 3 seiner PPU-Reihe am Beispiel Berlin/Potsdam wie folgt (S. 307f):
In der Zentralstelle der Gesellschaft Normal-Zeit in Berlin befand sich die Hauptuhr B, welche durch ein Kabel mit der S&R-Uhr A der Sternwarte zu Neu-Babelsberg in dauernder elektrischer Verbindung stand und von ihr bis auf Bruchteile einer Sekunde stets richtig gehalten wurde. Die S&R-Hauptuhr A der staatlichen Sternwarte sendete jede zweite Sekunde einen Strom von der Zeitdauer einer Zehntelsekunde, welcher eine Spule am Pendel der Registrier-Uhr durchfloss, während diese Spule über einen festen Magneten schwang. Dadurch wurde das Pendel der Uhr B bei der Normal-Zeit-Gesellschaft gezwungen, in Übereinstimmung mit der Uhr der Sternwarte, somit synchron zu bleiben; damit war eine richtige Zeit gewährleistet.
In der zugehörigen Skizze ist das Pendel mit der Spule und dem segmentförmigen Magneten dargestellt, wie es bei der vorliegenden Uhr vorhanden ist. Es handelt sich hierbei also um die Nebenuhr (B), die von der eingangs erwähnten Strasser & Rohde Uhr Nr. 243 gesteuert wurde.
Im Werk fehlen einige Teile, die vielleicht Zeitkontakte bereitstellten. Das Werk selbst ist in relativ gutem Zustand, hat freilich an manchen Stellen etwas Rost angesetzt. Das Pendel mit der seitlichen Anregung gehört ebenfalls restauriert, doch sollte ein versierter Uhrmacher keine unlösbaren Aufgaben vorfinden. Auch im jetzigen Zustand ist die Uhr lauffähig.
Strasser & Rohde
1875 gründeten Ludwig Strasser und Gustav Rohde in Glashütte die Firma "Strasser & Rohde". Sie fertigten Präzisionspendeluhren der verschiedensten Bauarten, u.a. auch in gestürzter Bauweise. Schiffschronometer, Gangmodelle, Präzisionswerkzeuge, Geschwindigkeitsmesser, Zeitballuhren, Geldschranksicherungsuhren, Taschenuhren, Koinzidenzuhren, Chronoskope und andere Kurzzeitmesser gehörten ebenfalls zur Produktpalette.
1879 engagierte sich Strasser zunehmend an der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte und schied später aus der Firma aus. Nachdem sich auch Rohde aus der Firma zurückzog, übernahm Wilhelm Kreis den Betrieb. 1918 pachtete Paul Weiß den Betrieb von Kreis und übernahm ihn nach dessen Tod. Wurden unter der Leitung von Kreis noch 300 Präzisions-Pendeluhren der Marke Strasser & Rohde verkauft, so gelang es Paul Weiß in der gesamten nachfolgenden Zeit nur noch eine Handvoll dieser Uhren zu verkaufen.
Die letzte Pendeluhr von Strasser & Rohde wurde am 19. Juni 1959 an die Sternwarte in Griechenland geliefert. Es handelte sich um eine Felduhr mit 24-Stunden-Zifferblatt des Typ B I mit seitlicher Gewichtführung, elektrischen Kontakten und Riefler-J-Pendel.
Quelle: https://watch-wiki.org/index.php?title=Strasser_%26_Rohde

schätzpreis
16.00025.000 €
Realisierter Preis
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