100. Auktion

15.11.2019

Lot 81

John Rich, London/Genf zugeschrieben, Geh. Nr. 8319, 57 mm, 118 g, circa 1810
Museale, bedeutende und einzigartige, mit Halbperlen besetzte Empire Goldemail Taschenuhr für den chinesischen Markt, mit Ansicht einer Küferwerkstatt mit 4 Automaten in Mehr-Farben-Gold vor einer Flusslandschaft in hochfeiner Miniatur-Emailmalerei. Die typische Gestaltung des Werkes und die englischen Bezeichnungen auf dem Zwischendeckel lassen diesen Automaten John Rich zuordnen - mit original Goldemailschlüssel und Schatulle, wohl aus der Zeit der Sammlung Gustave Loup
Geh.: 20Kt Gold, die Rückseite guillochiert und transluzid kobaltblau emailliert, die Lunetten auf der Vorder- und Rückseite mit Halbperlen besetzt, Stift zum Auslösen des Automaten bei 6 Uhr, feuervergoldeter Zwischendeckel. Ziffbl.: vierfarbig goldene Automatenszene vor polychrom emaillierter Landschaft, dezentrales Email Stundenzifferblatt mit handbemalten arabischen Zahlen, eingerahmt von einer transluzid roten sogenannten "pourpre de cassis"- Emailbordüre sowie einem floralen Champlevé-Dekor. Werk: Brückenwerk, Schlüsselaufzug, feuervergoldet, graviert, 2 floral gravierte Federhäuser, Zylinderhemmung, dreiarmige Messingunruh.
Vor der Emailminiatur liegt in Mehrfarbengold die Küferwerkstatt. Sie zeigt links einen Handwerker, der die Kufen schlägt, im Vordergrund ein Küfer, der die Fassdauben zurechthobelt, rechts ein Fass beim Toasting, daneben ein Delphinbrunnen mit fließendem Wasser. Beim Auslösen des Automatenwerks beginnen die Figuren zu arbeiten und der Delphin speit Wasser.
Um 1780 entstand die Genfer Tradition Automaten für den fernöstlichen Markt herzustellen. In großer Vielfalt wurden in der Zeit von 1780 bis 1850 von den bedeutendsten Uhrmachern, wie auch John Rich diese Wunderwerke der Technik und des Kunsthandwerks hergestellt. Die außergewöhnlichen Genfer Emailkünstler, sowie die traditionellen Genfer Handelsbeziehungen zum fernöstlichen Markt waren für den bedeutenden Londoner Uhrmacher und Automatenbauer John Rich sicher ein Grund mit seinem zeitweiligen Partner Decombaz eine Niederlassung in Genf zu gründen.
Die kunsthandwerkliche Arbeit des vorliegenden Automaten ist heute in dieser Qualität und Feinheit der Vollendung nicht mehr realisierbar.
Die Goldschmiedearbeit:
Die verschiedenen Goldfarben der Automatenfiguren wurden zu einzelnen hauchdünnen Goldplättchen gesägt, die dann zu der entsprechenden Form zusammen geschweißt und anschließend fein graviert wurden. Die Figuren sind jeweils auf einer silbernen Grundplatte aufgebracht. Die Halbperlen der Lunetten sind in Gold gefasst und mit 4 Krappen befestigt.

Die Emailarbeit:
Die Grundplatte des Emailbildes besteht aus Gold und ist von einer weißen Emailbordüre mit graviertem Champlevé-Dekor umrahmt.
Die fein nuancierten Emailfarben der Miniaturmalerei werden schrittweise aufgebracht, wobei jeweils die Farben mit dem höheren Schmelzpunkt zuerst im Ofen zwischen 700° und 800° gebrannt werden. Abschließend wird ein sogenannter farbloser Fondant aufgebrannt. Neben der feinen Nuancierung der Emailfarben, die eine besondere Fertigkeit voraussetzen, ist der sogenannte „Fondant ein weiteres Qualitätsmerkmal der goldenen Ära der Genfer Emailkunst der Zeit zwischen 1780 und 1840.
Die Guillochierung:
Die sehr komplexe und aufwendige Guillochierarbeit erfolgte mit einer Rundzug- und Längszug-Guillochiermachine, die von Hand bedient wurde und für jedes Dekor wieder neu eingerichtet werden musste.
Provenienz:
Die angebotene Uhr ist im Buch von Alfred Chapuis „Le Monde des Automates abgebildet und wird vom Autor der Sammlung Gustave Loup zugeschrieben.
Gustave Loup (1876-1961) lebte und arbeitete viele Jahre in China und konnte nach 1900 zahlreiche Uhren aus verschiedenen Quellen erwerben, darunter die kaiserliche Sammlung im Sommerpalast in Jehol (heute Chengde). Er verfügte zu seiner Zeit über die mit Abstand umfangreichste und wertvollste Uhrensammlung für den chinesischen Markt.
Edgar Mannheimer (1925-1993), eine charismatische Persönlichkeit und Inhaber von Uto Auktionen, war der bedeutendste Uhrenhändler seiner Zeit. Er hatte Kontakt zu allen wichtigen Sammlern, so auch zu den Besitzern der Uhren aus der Loup-Sammlung. In den 1970er Jahren tauchen somit bei Uto in Zürich häufiger Uhren mit dieser Provenienz auf.
Der vorliegende Automat von besonderer Provenienz wurde seit über 40 Jahren nicht mehr auf dem Kunstmarkt angeboten!
John Rich war zweifellos eine rätselhafte und schillernde Gestalt. Einige seiner Werke sind höchst komplizierte Automaten wie z.B. die sogenannte "Zauberbox" oder das "Sandoz-Parfumfläschchen". Alfred Chapuis und Edmond Droz, beides Autoritäten auf dem Gebiet der Automaten, haben die Zauberbox als die "außergewöhnlichste Schnupftabakdose die uns bekannt ist" beschrieben. Einige Boxen die untersucht oder restauriert wurden, sind mit "John Rich, London" oder "John Rich, London & Genève", signiert, wohingegen andere technisch identische Stücke keinerlei Signatur tragen.
Quelle: Osvaldo Patrizzi "Dictionnaire des Horlogers Genevois", Genf 1998, S. 342.
Literatur:
- Alfred Chapuis and Edward Gelis, "Le Monde des automates", Band II, 1928, Seite 54, Abb. 334
- "Exposition Gustave Loup", Musée d 'art et dhistoire de Genève, 1914
- Ian White "The Majesty of the Chinese Market Watch", AHS, 2019

Verkauft

schätzpreis
55.00075.000 €
Realisierter Preis
56.300 €