91. Auktion

16.5.2015

Lot 542

Justin Vulliamy, London, Werk "rms", 64 mm, 288 g, circa 1780
Bedeutende, schwere Herrentaschenuhr mit Viertelstundenselbstschlag und Viertelrepetition und "Chelsea bun" Temperaturkompensation. Diese sehr fein ausgeführte Kompensationseinrichtung - bekannt als "Chelsea bun" - ist prinzipiell genau dieselbe, wie sie Harrison und in der Folge Kendall (K2!) bei den ersten Seechronometern in Taschenuhrform verwendet haben! Die vorliegende Uhr dürfte wohl nicht sehr lange nach diesen entstanden sein.
Geh.: Silber "Konsular"-Gehäuse, Mittelteil und Innendeckel floral graviert mit Schallöffnungen, Bodenglocke, rückseitiges Monogramm "RL", Werkschutzkappe. Ziffbl.: Email, radiale röm. Stunden und arab. Minuten, Kathedral-Goldzeiger. Werk: Vollplatinenwerk, signiert, vergoldet, Kette/Schnecke, 3 Federhäuser für Gehwerk, Repetition und Selbstschlag, profilierte Pfeiler, 4 Hämmer, Rubin-Zylinderhemmung, dreiarmige Stahlunruh, temperaturkompensierte Unruhspirale durch justierbaren, schneckenförmigen Bimetallstreifen, durchbrochen gearbeitete Unruhbrücke, chatonierter Diamantdeckstein auf Unruh, Werkschutzkappe.

Drei nacheinander folgende Generationen der Familie Vulliamy waren von 1735 bis 1854 als Uhrmacher aktiv und obwohl sie besonders für ihre Regulatoren berühmt waren, schufen sie auch hervorragende und wegweisende Taschenuhren.
Um 1743 gingen der damals etwa 66 jährige Benjamin Gray, Taschenuhrmacher für den englischen König Georg II seit 1742, und der Mitte der dreißiger Jahre aus der Schweiz eingewanderte Francois Justin Vulliamy eine Partnerschaft ein, nachdem der Letztere zwei Jahre vorher Mary Gray, die Tochter seines Senior-Partners, geheiratet hatte. Gray war ein Uhrmacher, der sich auf Repetitions- Spindeltaschenuhren spezialisierte. Nach dem Zusammenschluß wurden diese Repetierer mehr und mehr mit Zylinderwerken ausgerüstet und auch etliche Großuhren gebaut.
1764, nach Gray’s Tod, übernahm Justin Vulliamy das Geschäft am Westende von Pall Mall. 1772 war der Sohn Justin’s, Benjamin Vulliamy, königlicher Hofuhrmacher für Großuhren bei Georg III geworden, nach dem er schon 1769 zusammen mit seinem Vater dem König in seinem Observatorium in Richmond bei der Beobachtung des Venus-Transits assistiert hatte. Um 1780 trat er endgültig als Partner seines Vaters in die Firma ein. Die Firma Vulliamy hatte sich Anfang der 80er Jahre, als der immer mehr ansteigende Import von billigen Taschenuhren aus dem Ausland zum Problem für die einheimischen Uhrmacher geworden war, mehr und mehr der Fertigung von Großuhren zugewandt, speziell von teuren und dekorativen Qualitätsuhren; Qualitätskontrolle und persönlicher Einsatz wurden in dieser Firma großgeschrieben. Justin Vulliamy starb 1797 mit beinahe 86 Jahren; sein Testament schrieb er in französischer Sprache.
Um 1801 nahm Benjamin Vulliamy seinen Sohn Benjamin Lewis als Partner auf. Sie verkauften weiterhin Taschenuhren mit Zylinderhemmung, gingen aber für ihre besten Werke mehr und mehr auf die Duplexhemmung über. Sie verlegten sich jetzt auch auf Randgebiete, wie Kerzenhalter und andere Silber- und Goldwaren und hatten dadurch großen Umsatz, der allerdings häufig durch die schlechte Zahlungsmoral gerade der Angehörigen der königlichen Familie und der Aristokraten zu vergleichsweise niederen Reingewinnen führte.
1811 starb Benjamin Vulliamy und sein zweiter Sohn nahm nun bis 1820 am Geschäft teil, verließ es aber wieder, unzufrieden mit dem – sicher nötigen – dominierenden Führungsstil seines Bruders Bemjamin Lewis. Die Firma war inzwischen auch für ihre hervorragenden Turmuhrwerke und ihre ausgereiften Großuhren bekannt, die sie an die Behörden lieferte. Aber es gab natürlich weiterhin Taschenuhren und später so berühmte Leute wie Richard Pendleton, E.J.Dent und Sylvain Mairet arbeiteten am Ende des achtzehnten und in den zwanziger und dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts bei Vulliamys auf diesem Gebiet.
Den Auftrag für „Big Ben“ bekam Benjamin Lewis zwar nicht, aber er und seine Vorfahren waren immerhin bei vier Königen und Königinnen Uhrmacher gewesen und hatten etliche „master“ der Worshipful Company of Clockmakers gestellt. Mit seinem Tod 1854 hörte die Firma auf zu bestehen; Goodwill und Royal Warrant gingen auf Charles Frodsham über, die Werkstatt - Ausrüstung hauptsächlich an Vulliamy’s seit vielen Jahren führende Werkleute, die Jumps.

Verkauft

schätzpreis
10.00015.000 €
Realisierter Preis
10.600 €