100. Auktion

15.11.2019

Lot 38

Ernst Müller, Berlin, Höhe 1570 mm, circa 1860
Außergewöhnliche Präzisions-Sekundenpendeluhr mit Zentralsekunde und Weltzeitanzeige, 2 Monate Gangdauer
Geh.: Eiche, Ebenholzfurnier, Vogelaugenahorn. Ziffbl.: versilbert. Werk: Trapezform-Messingwerk, Graham-Hemmung mit justierbaren Steinpaletten, Zink/Stahl-Kompensationspendel nach Tiede.
Auch lange vor der Internationalen Meridiankonferenz von Washington im Jahre 1884, auf der die Welt in Zeitzonen aufgeteilt und der Nullmeridian auf Greenwich festgelegt wurde, bestand Interesse an den verschiedenen Zeiten in fernen Weltregionen. Auf dem inneren, versilberten Ziffernring dieser Wanduhr des Berliner Uhrmachers Ernst Müller sind denn auch von Adelaide bis Yedo (Tokio) 109 Orte verzeichnet. Da um 1860, als die Uhr entstand, der spätere Nullmeridian bei Greenwich noch nicht bestimmt war, legte Müller kurzerhand Berlin auf 0 Grad und begann die Zählung von dort.
Jürgen Ermert, in dessen 2. Band der Reihe über Präzisionspendeluhren in Deutschland von 1730 bis 1940 diese Uhr ausführlich dargestellt und beschrieben wird, entdeckte bei seinen Recherchen einen Artikel zur Pariser Weltausstellung von 1867 und darin nähere Informationen über den ansonsten wenig bekannten Fertiger der Uhr.
Demnach handelt es sich um den Berliner Hofuhrmacher Ernst Müller mit einem Geschäft in der Kronenstr. 56, das bereits 1771 gegründet wurde. Er nahm an der Weltausstellung teil mit einer "Uhr eigener Erfindung, die für alle Orte der Erde die genaue Zeit" anzeigt - ob es genau diese oder eine ähnliche Uhr war, ist unklar.
Die technische Ausführung ist bis ins Detail von höchster Qualität: Der Anker der Graham-Hemmung besitzt Feinstellungsmöglichkeiten für den Ankerwinkel und die Steinpaletten, ebenso wie für die Ankergabelluft und selbstverständlich die Abfalleinstellung. Diese ähnelt sehr der Konstruktion, die Friedrich Tiede verwendete, der ebenfalls in Berlin arbeitete. Ein auf der Werksplatine punziertes "T" könnte daher nach Ermert darauf hinweisen, dass hier eventuell ein Rohwerk von Tiede eingesetzt wurde. Das seitlich geführte schwere quaderförmige Gewicht sorgt für die lange Laufzeit von zwei Monaten. Ein optisches Highlight: Die äußerst filigran gearbeiteten Zeiger, die jeder ein Wappenschild im Zahnrad darstellen, beim Sekundenzeiger im zudem vergoldeten kurzen Teil. (Bei all diesen Finessen wollte auch der Erbauer des - später dafür gefertigten - Gehäuses nicht zurückstehen und verwendete ein Schloß mit einem überraschenden, genialen Schließmechanismus.)
Im Ganzen eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche, repräsentative Pendeluhr, technisch und optisch auf höchstem Niveau.

Verkauft

schätzpreis
16.00030.000 €
Realisierter Preis
21.300 €