102. Auktion

29.6.2020

Lot 426

Du Bois et Fils, Le Locle/Genf zugeschrieben, 59 mm, 143 g, circa 1790
Einzigartige, museale, doppelseitige Goldemail Taschenuhr mit Musikspielwerk und zwei Automaten für den chinesischen Markt "Der Wandersmann mit seinem tanzendem Hund" - mit zeitgenössischem Uhrenschlüssel
Geh.: 18Kt Roségold, Vorder- und Rückseite verglast, das Mittelteil teilweise durchbrochen gearbeitet und dekoriert mit gravierten Blüten und Ranken. Ziffbl.: Email, arab. Zahlen, Öffnung für Aufzugsvierkant der Uhr bei "2", Öffnung für Aufzugsvierkant des Musikspielwerks und Automaten bei "4". Automatenszene: In einem mit Säulen und Zierrat geschmückten Pavillon drehen sich ein Wandersmann und sein Hund zur Musik. Der Mann trägt eine blau/rote Tracht und einen breitkrempigem Hut. Der Hund steht auf seinen Hinterläufen und bewegt sich zeitgleich mit seinem tanzenden Herrchen auf und ab. Des Wandersmanns Stab und Rucksack lehnen an einer Eiche in dreifarbigem Gold, dahinter am linken Bildrand erkennt man ein Haus. Eine Wiese im Vordergrund und ein Paar Pflanzgefäße rechts säumen die Szene. Feinste, polychrome Emailmalerei eines Klosters nahe eines Flussufers bilden den Hintergrund (vermutlich handelt es sich um das ehemalige Benediktinerkloster Beinwil im Kanton Solothurn in der Schweiz). Werk: Vollplatinenwerk, zylindrische Pfeiler, Federhaus, Kette/Schnecke, Spindelhemmung, dreiarmige Messing-Unruh, gebläute Unruhspirale, Musikspielwerk mit Federhaus mit Stiften, 9 Vibrationsblätter, unter der Platine angeordnetes Planetenradgetriebe zum Antrieb des tanzenden Paares.
"Der Wandersmann mit seinem tanzendem Hund" ist eine einzigartige und außergewöhnliche Szene für eine Automatenuhr - wir kennen keine weitere Uhr dieser Art.
Mit Ausnahme der Uhr der Sammlung Gélis haben vergleichbare Automatenuhren ein ähnliches Rohwerk - was stark vermuten lässt, dass sie alle von demselben Uhrmacher hergestellt wurden.
Das Uhrwerk unserer Uhr entspricht dem gewohnt hohen Standard der Uhrmacher aus der Region Neuchâtel. Ähnliche Werke sind uns von anderen Automatenuhren bekannt, besonders von jenen die von Du Bois et Fils signiert sind; wir können daraus schließen, dass die Uhren entweder von Du Bois hergestellt wurden oder dass er mit der entsprechenden Werkstatt zusammenarbeitete. Einige Uhren von Duchêne et Fils und weiteren Herstellern sind ebenfalls mit diesen Werken ausgestattet.
Duchêne et Fils und auch Du Bois et Fils sind berühmt dafür, einige der wunderbarsten und ausgefallensten Automatenuhren aller Zeiten geschaffen zu haben: wir kennen zum Beispiel den "Seiltänzer" in der Uhrensammlung Sandberg, sowie "Moses" und natürlich das "Theater".
Du Bois et Fils
Das von Philippe Du Bois (1738-1808) gegründete Unternehmen hatte den Ruf, mehr als zwei Jahrhunderte lang eine der wichtigsten Firmen der Region Neuchâtel zu sein.
Quelle: "Dictionnaire des Horlogers Genevois", Osvaldo Patrizzi, Genf 1998
Die Kunst der Automatenherstellung in Genf
Um 1780 entfaltete sich in Genf eines der faszinierendsten Kapitel in der Geschichte der Uhrmacherei: man begann, mit ungeheurer Kunstfertigkeit Automaten herzustellen - Maschinen, die die Bewegungen von lebenden Geschöpfen nachahmen sollten. Die Palette reichte hierbei von den einfachsten Momenten, in denen z.B. eine Gestalt mit ihrem Arm auf die Zeit deutete, bis zu komplexen originalgetreuen Darstellungen wie ländlichen Szenen, Theaterstücken oder Konzerten. Die Automaten wurden schnell für eine Vielzahl von Konstruktionen aller Art eingesetzt - sie "belebten" Parfümflaschen, Amphoren, Spiegel und Schnupftabakdosen. Der Nutzen dieser exquisiten Stücke als Uhr war oft nur nebensächlich. Und da Leben auch immer Geräusch mit sich bringt, wurden die Automaten zusätzlich noch mit Musikspielwerken versehen. Die anerkannten Meister dieser extravaganten Symbiose von Schmuckuhren und Automaten waren unter anderem Pierre Morand, Henry Capt, Isaac Daniel Piguet und Philippe Samuel Meylan, Duchêne et Fils und auch Du Bois et Fils, sowie die Genfer Werkstatt von Jaquet-Droz mit seinen Kollegen und Nachfolgern Jean-Frédéric Leschot und Jacob Frisard. Alle waren sie geniale Hersteller von Uhren mit Musikspielwerken, die zuerst mit Glocken spielten und später die Melodien dadurch hervorbrachten, dass ein Tonkamm durch einen Zylinder oder eine Stiftwalze zum Schwingen gebracht wurde. Diese Uhren waren hauptsächlich in den östlichen Märkten sehr beliebt und erhielten so während der Zeit des Handels mit der Türkei und China eine ausgefallene exotische Note, die den besonderen Charme dieser Stücke ausmachte und die es uns heute leicht macht sie zu erkennen.
Quelle: La Tribune des Arts présente en exclusivité le Patek Philippe Museum
Provenienz:
- Versteigert bei Auktionshaus Hugo Ruef, München, 409. Kunstauktion, Juni 1980. Dort abgebildet auf dem Umschlag des Auktionskataloges.
- Versteigert bei Uto Auktionen, Zürich, 22. November 1982, Lot 419. Dort abgebildet auf dem Umschlag des Auktionskataloges.

Verkauft

schätzpreis
50.00070.000 €
Realisierter Preis
33.000 €